Schälsick

Deutz ist im Kommen, hörte ich. Als my best friend vor einiger Zeit nach Köln zog, hat sie mich gefragt, wie weit wohl Deutz von mir, also von der Südstadt, entfernt sei.
Lichtjahre, sagte ich. Dabei ist man viel schneller dort, als man denken mag. Und am Rhein in Deutz ist es genau so schön, wie am Rhein auf der «richtigen» Seite.
Aber sonst? Sonst ist die Schälsick ganz einfach nur verbunden mit Arbeit… Messen & Co. Ferner Konzerte. Aber die besuche ich ja ab und an auch in Düsseldorf, wo ich schon gar nicht wohnen möchte.
Einkaufen auf der Schälsick ist wie Einkaufen in Alsdorf, Würselen oder Stolberg. Alle Läden, die man so kennt mit einigen wenigen Läden, die tatsächlich inhabergeführt sind. Unspektakulär.
Kleiner historischer Ausflug, danke wiki mal wieder: «Die außerhalb der Städte verbreiteten Sicherheitsprobleme, bedingt durch dünne, eher ländliche Besiedlung und meist fehlende Stadtmauern, bestärkten offenbar die Großstädter in dem Glauben, auf der „guten“ und „richtigen Seite“ zu leben».
Unsicher fühlte ich mich auf der Schälsick nie, nur auch irgendwie nicht zu Hause.

Nein, nein, nein. Ich finde die Schäl Sick weiterhin kacke. Sorry. Auch für den Ausdruck. Aber nennt mir doch nur einen coolen Club auf der rechten Rheinseite ausser dieser doofen Essigfabrik. Oder eine gute Bar, in der Ihr spontan in den letzten zwei Monaten wart… KEINE. Genau. Und das ist auch der Grund, weshalb es völlig gleichgültig ist, ob RTL oder der WDR oder der Papst auf die andere Rheinseite zieht.
Es ist zu weit, es liegt ein Fluß dazwischen. Ist das jetzt diese Sturheit, von der alle immer sprechen, diese Borniertheit der Kölner? Ja genau, das ist sie und sie gehört zu uns wie unsere Abneigung gegen diese komische rechte Seite des Rheins, die eigentlich nur für Industrie und langweiliges Wohnen gedacht ist. Auf der anderen Seite… wenn ich es mir so recht überlege, ist die Stadt sowieso total überfüllt. Vielleicht sollte man anfangen die rechte Rheinseite zu empfehlen.
Hey, die rechte Rheinseite wird immer cooler und schöner!

Jaja, Schälsick hin oder her, dat is die Seite wo Düsseldorf liegt!
…und ich bin trotzdem ganz gerne da! Tanzbrunnen, Lanxess-​Arena, Poller-​Wiesen, es gibt so einiges was einen mal rüber ziehen kann. Ich will aber mal kurz erklären warum die Schälsick Schälsick heißt (jedenfalls wurde s mir so erklärt):
Vor Jahrzehnten und Jahrhunderten mussten noch Pferde die Waren von den Booten am Rheinufer holen. Da das sehr früh morgens geschah und die Pferde über Jahre hinweg in die über der Schälsick aufgehende Sonne guckten die sich dazu auch noch im Wasser spiegelte wurden die Viecher mit der Zeit blind bzw. blinzelten (=schäl).Sie guckten also auf die blinde Seite (=Sick) des Rheins.
Ohne Gewähr, aber Wikipedia bestätigt mich wie ich gerade sehe.

Schäl Sick, sollte langsam mal als Ausdruck abgeschafft werden. (Andererseits isset schon irjendswie och sööß). Née, spätestens seit ich selbst dort gewohnt habe, find ich Leute, die noch Angst haben rüber zu ziehe, feige und ziehe sie gern auf.
Sowohl Deutz, als auch Kalk sind mir Freunde geworden. Vor allem Deutz als Wohnort, ist besser als man glaube mag. Auf der Deutzer Freiheit findet man nicht nur alles was man zum einkaufen braucht (REWE, Netto, Biomarkt, Apotheke, dm, Schlecker, Rossmann, Kodi, 200 Bäckereien, Läden sämtlicher Handyanbieter usw) sondern noch eschte Kölsche Veedelsmentalität.
Abgesehen davon hat man drei Rheinbrücken zur Auswahl, um überall in zehn Minuten zu sein (Severinsbrücke = Südstadt, Deutzer = Innenstadt, Hohenzollern = Bahnhof). Jeden Morgen mit dem Rad über eine dieser Brücken zu radeln, vor allem über die Hohenzollern, gleicht einer Wellnessbehandlung. Wirklich. Auch nachts, toll, wenn dann die Möwen schreien fühlt man sich wie am Meer.
Nicht zu vergessen, die Poller Wiesen, die man vor der Nase hat, den herrlichen Ausblick auf das Panorama des Rheinaufhafens oder den Dom natürlich und das Rheinufer ist in einem Katzensprung zu erreichen und nicht so überfüllt und zubegaut wie auf der andere Seite. Man kann ewige Spaziergänge machen und das ist auch im Winter schön.
Was wirklich ein bisschen fehlt sind kulturelle Angebote (abgesehen von dem was in der Arena stattfindet. jaja, na ja) Klar gibt es hier auch was, aber man muss schon etwas mehr suchen und entdecken und kennen. Ein Kino wäre zum Beispiel nicht schlecht.
Aber, was Barbara schon erwähte, ich bin absolut davon überzeugt, dass es einen heftigen Wandel geben wird in den kommenden Jahren — und das zu Recht.

Schälsick bedeutet op kölsch «falsche Seite». Damit meint man in Köln die rechtsrheinische Seite der Stadt. Die ist nicht nur «schäl», also falsch, weil auch Düsseldorf auf dieser Seite liegt, sondern vor allem, weil der Dom auf der anderen Seite ist. Und man erinnere sich: Köln ist da, wo der Dom steht.
Nicht erst seit RTL television alle Mann hoch letztes Jahr von der Aachenerstr. nach Deutz in die alten Messehallen gezogen ist, muss man diese Meinung wohl etwas überdenken.
Stadtteile wie Deutz und Mülheim haben viele sehr nette Ecken mit schönen Restaurants und Bars, und es gibt tolle Wohnungen, die näher am Dom liegen, als so manches linksrheinische Veedel. Von dem Sorgenveedel Kalk sagt man sogar mittlerweile, dass hier bald eine Gentrifizierung stattfünde, wie Ehrenfeld sie in den 90ern durchlebt hat. Und Ehrenfeld ist heute für Studenten kaum noch bezahlbar.
Trotzdem wird die Schälsick von den meisten KölnerInnen immer noch als ein Teil Kölns gesehen, den man zwar mal besucht, in dem man aber wohl niemals wohnen möchte. Schauen wir mal, wie lange das noch so bleibt.