lokstoff

Na also, es geht auch anders. Früher war ich öfters im Alten Schauspielhaus in der Kleinen Königstraße. Irgendwie bin ich der Meinung dass dieses Theater vom Publikum her ziemlich vergreist ist. Die Aufführungen machen Spaß und sind gut, aber die Leute um mich herum versprühen so eine steife Atmosphäre, dass ich froh war, mal wieder eine Theater-​Erfahrung wie mit LOKSTOFF gemacht zu haben.
Weg mit dem klassischen Arrangement Bühne meets Audience! Hier läuft alles quer und um einen herum, und über einen und unten durch. Will heissen: der Keller, der Gullideckel, die Kneipe, die Kanäle, der alte Stadtbus, die ganze Welt ist die Bühne, und Du bist mittendrin. So fährt man mit diesem Ensemble quer durch Stuttgart als sei man in Prag, erlebt surrealste Situationen zu den Worten Franz Kafkas, ideenreich, modern und mit Tiefgang. Hier wirste überrascht und bleibst fasziniert zurück. Hier erfährste, wie es ist, mit einem alten Benz-​Bus durch né Waschstraße zu fahren, dass es doch möglich ist, dass zwei erwachsene Leute in einen Anzug passen und dass der Hauptbahnhof auch eine Kantine hat. Und nebenbei plaudert Hamlet mit einem Totenschädel.
Die Plätze im Stadtbus (Kafka die Verwandlung) sind schnell vergeben. Klar, es gibt ja auch nicht viele. Deshalb sei hier rasche Reservierung geraten. Bei Hamlet im Hauptbahnhof ist nicht ganz so die Eile geboten, der Bahnhof ist groß. Tut’s Euch an!

Ich hab vor ein paar Jahren das Stück Furcht und Hoffnung in Deutschland in der Bahn gesehen. Was soll ich sagen, so was hab ich noch nicht erlebtes war zwar befremdlich, aber gleichzeitig auch so spannend und cool. Besonders toll fand ich es, wenn wir an Haltestellen ankamen, wo viele Passanten waren. Wie da die Schauspieler ausgestiegen sind und anfingen rumzuschreien, hat es noch mehr Spaß gemacht, die Gesichter der Passanten anzuschauen.

Ich habe Gestern Hamlet im Hauptbahnhof Stuttgart gesehen! Grandios! Die Schauspieler geben ihr Bestes und die Location passt zum düsteren Stück wie die Faust aufs Auge! Die
Lokstoff-​Stücke leben auch von der unfreiwilligen Komik durch die Interaktion mit unwissenden Passanten! Da wird im engen Tunell zur S-​Bahn-​Station wild geschauspielert und die müden Gestalten, die zu den Gleisen schlappen, bekommen große Augen…
Die vielen Orts-​Wechsel (u.a. Kantine fürs DB-​Personal und Warteraum) steigern das Erleben und so kann man auch skeptische Leute, die Shakespeare bislang gemieden haben, für den schweren Stoff begeistern. Die 3 Stunden Spielzeit vergehen wie im Flug! Ich bin schon auf Kafka im Bus gespannt! Lokstoff ist KULT!

lokstoff in der kirche… top dogs…
nun denn… also die idee theater im öffentlichen raum zu machen: SUUUPER…
die schauspieler: klasse…
aber das stück: né. kann ich nich empfehlen
elitäres hochtrabendes geschwafel, dem kein normalo gänzlich folgen kann, ohne knoten ins hirn zu kriegen…
einige tolle szenen waren schon dabei und es is einfach spitze nicht von einer bühne «bespielt» zu werden, sondern mittendrin zu sitzen…
allerdings waren nur knapp 30 zuschauer da… nix von wegen ausverkaufte hallen… oder wie in diesem fall: kirchen.
lokstfoff einmal als ungewöhnlichen event, ja. aber ich würde nicht nochmal hingehen…

Leider kann ich nur 4 Sternchen vergeben… die Idee ist super und meist auch charmant umgesetzt. Allerdings sind die technischen Probleme nicht immer gut gelöst, so dass man beispielsweise (vor einiger Zeit) bei einem Stück im bzw. unter dem Charlottenplatz manchmal den Text kaum verstanden hat — und das Stück dann auch nicht so richtig. Aber ein paar schöné Ideen waren dabei.

Muss man Lokstoff eigentlich noch empfehlen? Man muss! Was das Ensemble um Schneck, Hildebrand und Leonetti auf die Beine stellt ist eine Zierde für Stuttgarts Kulturszene.
Theater abseits der ausgetretenen Pfade, immer mitreißend, intensiv und Aug-​in-​Aug mit dem Publikum. Nicht umsonst sind die Vorstellungen regelmäßig ausverkauft. Bei solcher Konkurrenz sieht das klassische Guckkasten-​Theater ganz schön alt aus.