Russische Kirche

So, und jetzt äußert sich hier wieder der Fastfood-​Schlemmer, Religionen-​Verächter und hedonistisch geprägte Typ von nebenan: Bin also nicht orthodox und so viel ich weiss fließt auch kein slawisches Blut durch meine Venen. Dennoch gefällt mir diese Kirche, und ein paar Mal besuchte ich sie auch von innen. Klar, wenn die Menschen im Generellen etwas anpacken, dann immer mit dem Anspruch es besser zu wissen und es zu perfektionieren. Und so hat es sicher auch einen tieferen, unumstößlichen Sinn, dass die katholischen und protestantischen Kirchen wie Atombunker kurz nach ihrer Einweihung wirken. Die alten unter ihnen haben zumindest noch etwas gotisch/​romanische Verschnörkelungen an sich — die neuen sind einfach nur wie auch immer. Aber die Kirchen dieser Religion hier, zu der diese Russische Kirche gehört, die strahlen Wärme aus, Geborgenheit, sind einladend, transportieren dies mit tiefen Teppichen, warmem Licht und liebevollen Accessoires. Welche Art der Kirche jetzt nun näher an Gott liegt weiss natürlich jeder anders, aber diese Kirche liegt definitiv näher am Hölderlinplatz als in Neugereut. Und verbunden werden diese beiden Orte durch die U2, die Mal für Mal an den alten Fassaden dieser schmucken Kirche schnurrend vorbeizieht. Auch an diesen besonders schönen Abenden der orthodoxen Ostern, wenn die Gläubigen mit Kerzen und Gesängen ihre Runden um die Kirche ziehen.
Wo Gott nun also am liebsten einkehrt und seine Lieblings-​Location hat, ob im Café Weiss, im Amadeus, in der Bismarckkirche oder in der Russischen ich weiss, dass ich nichts weiss und ziehe von dannen.

Russisch Orthodoxe Kirche des Hl. Nikolaus von Myra in Stuttgart
Olga Nikolajewna Romanowa wurde geboren am 11. September 1822 in Sankt Petersburg– und verstarb am 30. Oktober 1892 in Friedrichshafen. Sie war eine russische Großfürstin und die Ehefrau Karls I. Königin von Württemberg. Ihr Ehe blieb leider kinderlos.
Sie ging als Olga Königin von Württemberg in die württembergische Landesgeschichte ein. Heute steht ihr Name für zahlreiche Institutionen in Stuttgart und Umgebung. Die Herzogin Wera Konstantinowna, eine Nichte von Königin Olga, setzte sich nach deren Tod, ihr zu Ehren, für den Bau einer Russisch Orthodoxen Kirche in Stuttgart ein. Mit der finanziellen Unterstützung der Zaren Alexander III. und Nikolaus II., wurde die Kirche von den Architekten Eisenlohr und Weigle, nach dem Vorbild Moskauer Kirchenbauten des 16. und 17. Jahrhundert, konzipiert. Am 15.12.1895 wurde die Kirche geweiht. Die Inneneinrichtung stammt aus der Hofkapelle der Königin Olga, die Kirchengeräte sind ein Geschenk des Zarenhauses, die Priesterornate Arbeiten russischer Klöster.
In der Nacht vom 12. zum 13. September 1944 wurde die Kirche bei einem Bombenangriff stark zerstört. In den Jahren danach wurde sie originalgetreu wieder aufgebaut.
Seit 1996 wurde die Kirche grundlegend restauriert. Seit 1998 ruft das einzige russische orthodoxe Kirchengeläut dieser Art in Süddeutschland, die Gläubigen zum Gottesdienst. Es ist sehr schön zu beobachten, wenn die Minestranten die zahlreichen Glocken im Glockenturm von Hand, jeden Sonntag und zu besonderen Anlässen, zum läuten bringen.
Architektonisch ist sie für Stuttgart eine große Bereicherung. In der Kirche war ich noch nie, aber es ist immer wieder schön sie zu sehen, oder ihr Geläut zu hören.