Turmwirt

still ist es geworden
Adi Thuile*, herzmenschlicher Kochtopfhaudegen zur Zeit in Algund? (früher im Muchele, dann Elisabeth usw.), sagte über den Turmwirt: Einer der letzten ehrlichen Südtiroler Gastwirtschaften. Wenn er das sagt, dann stimmt das. Auch wenn die Seniorwirtin zum Etschtaler Thuile-​clan gehört, so wie die von mir hochgelobte, tüchtige Wilma drüben in Nals, würde er ungeschminkt das Gegenteil berichten, wenn es denn so wäre.
Wieder einmal ist es die SS 38 Bozen Meran, durch die Talautobahn ruhiggestellt, die ihren Anliegern eine zwiespältig empfundene Abgeschiedenheit gebracht hat. Es soll angeblich Wirte geben, die sich an die geschäftsbelebenden Standardstaus nachgeradezu zurücksehnen. Wir Gäste bestimmt nicht. Im Rücken die steilen, beinahe unwegsamen Hänge des Gebirges, in der Abendsonne zum fernen Ortler hinüberträumen, bietet die Turmwirtterrasse einen abendlichen Ruheleckerbissen, bestenfalls gestört durch das Sirren einiger vorbeihuschender Rennräder. Dass ich den Tipp von einem Garmischer Pedaltreter genannt bekam und nicht von den Thuiles selbst, die doch wissen, wie scharf ich auf solche Gaststätten bin, hat mich etwas verunsichert. Wollen sie nicht von einem Suppenschreiberling beobachtet werden, sind sie gar g’schamig?
Es regnet in Strömen, nix Terrasse. Die Restaurantstube ist nicht ungewöhnlich. Sauber, etwas adrett. Echte Blumen auf den Tischen stimmen positiv, so, wie der Toilettentest. Die Speisenkarte ist nicht überfrachtet. Es gibt ein Mittagsmenü für 13 Euro: 3-​erlei Vorspeisen und zwei Hauptgänge zur Auswahl. Wobei ein Schweinsbraten mit Reis für bayerische Zungen hundertprozentig gewöhnungsbedürftig ist. Ich wähle die ortsübliche Speckknödelsuppe und Hühnerbrüstchen vom Grill mit Rosmarinkartoffeln. Die Suppe steht auch solo in der Karte, für satte 3,10 EUR (!). Dank dem kindskopfgroßen, recht guten Knödel geht der Preis in Ordnung und stellt einige Bozener Edelabzocker mit zwei suppelnden Tischtennisbällen an den Esspranger! Das Fleisch ist saftig, die Kartoffelbeilage mundet mediterran. Vom Buffett hole ich mir einen anständig sortierten Salat mit dreierlei Dressings: Joghurt, Öl-​Knoblauch und französisch, mit Essig und Öl. Damit ist der Preis für’s Menü auch tragbar. Sehr angenehm ist, dass Wirt Walzl viele Gerichte in kleinen Portionen anbietet. Beispielsweise Spaghetti Bologneser Art 4,00/5,50 EUR, oder Hirtenmakkaroni 4,50/7,00 Euro. Der Turmwirt ist beileibe keine Billigwirtschaft, aber er ist preiswert, was doch nichts anderes meint, als dass die angebotenen Gerichte ihren Preis wert sind. Auch bei den Getränken wird niemand über den Tisch gezogen, einen guten, einheimischen Schoppen aus Weißwein-​Nals gibt es für 2,00 EUR/​!). Die Flaschenpreise auf der Seite mit den feineren Lagen reichen von 13 bis 43 EUR und da sind wirklich edle Tropfen dabei.
Da Gargazon beinahe in Äpfeln schwimmt, stinkt mir dann wieder der Apfelschorlepreis: 2,40 EUR für einen knappen halben Liter. Wobei jedermann weiß, wie billig Mineralwasser in Südtirol angeboten wird.
Fazit trotz dieser handfesten Enttäuschung:
Adi Thuile hat doch ziemlich recht
anno 2006